Und was Mut mit dem Erfolg von Karrieren zu tun hat
Eine steile Karriere in die begehrtesten Positionen der Wirtschaft scheint – übertrieben gesagt – bereits im Kindergarten zu beginnen, wenn man den zahlreichen Foren und Blogbeiträgen panischer Studierender der Wirtschaftswissenschaften Glauben schenkt. Von Beginn an sollte jede Entscheidung bedacht und klug getroffen, die Grundsteine der eigenen Karriere richtig gelegt worden sein. Andernfalls würde die Karriere auf einem ungünstigen Fundament wackeln, die erwünschten Aufstiegschancen würden immer weiter in die Ferne rücken.
Die Horrorszenarien verunsicherter High Potentials: Anstatt wie erhofft mit McKinsey oder BCG um die Welt zu jetten, säße man dann wehmütig im kleinen no name Unternehmensberatungsbüro, und anstatt der erträumten Private Equity Karriere würde müde nur die kleine Bankfiliale winken.
Die Profile, die bei den prestigereichen Organisationen dieser Welt gesucht werden, scheinen in den Foren schillernd und unerreichbar:
- Notenschnitt: idealerweise unter den besten 5% des Jahrgangs
- Studium: je prestigereichster die Universitäten, desto besser
- Praktika oder Arbeitserfahrung: in den Top Unternehmen des eigenen Zielbereichs
- Auslandserfahrung: soll nicht nach Party und Alkohol klingen, sondern nach zielgerichteter Erweiterung der eigenen Fähigkeiten
- Hobbies: sollen Stil und Klasse zeigen, aber nicht zu protzig. Ausgefallen, aber auch nicht zu wild
Lange Nächte in der Bibliothek, die verzweifelte Suche nach den besten Praktika und dennoch scheinen die anderen (denen es sowieso immer leichter zu fallen scheint) noch weiter voraus zu sein: Bereits im dreisprachigen Kindergarten lernten sie rechnen, auf dem Weg zum Gymnasium noch nebenbei das ein oder andere Startup gegründet, in der Oberstufe die Praktika bei der Geschäftsleitung absolviert. Die vielgepriesenen Führungsfähigkeiten haben sie bereits seit der Mittelstufe im Lebenslauf.
Und egal, wie sehr man sich selbst bemüht, das eigene Profil wirkt fad, erfolgslos und mittelmäßig. Lohnt es sich da überhaupt, sich bei den prestigereichsten Unternehmen zu bewerben, genügt denn der eigene Notenschnitt?
Die beruhigende Antwort: Ja. Es lohnt sich nahezu immer.
Aim for the stars – you might land on the moon
Oder wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Eine Zusage zu der Traum-Unternehmensberatung kann es logischerweise erst dann geben, wenn man sich beworben hat. Hochkompetitive Auswahlverfahren kann man erst dann überwinden, wenn man an ihnen teilgenommen hat.
Meist ist aber die Angst vor der Absage so groß, dass man, um sich vermeintlich vor dieser zu schützen, es gar nicht erst versucht. Schrödingers Kiste mit der Katze bleibt somit verschlossen. Die Ungewissheit erscheint beruhigender, als diese Kiste zu öffnen und das befürchtete Schicksal der Katze zu erfahren. Schließlich bleibt so im Nachhinein immer die Möglichkeit zu sagen, dass man doch vielleicht eine Zusage hätte bekommen können. Niemals muss man sich unter diejenigen einreihen, die abgelehnt wurden. Ein kleiner Trost bleibt somit immer.
Letztendlich erliegt man mit dieser Argumentation allerdings einem Trugschluss. Denn der einzige Weg, um definitiv nicht genommen zu werden, ist es, sich nicht zu bewerben. Und somit scheiterte man nicht nur bei der Bewerbung, sondern man versagte sich auch eine andere Möglichkeit: eine vielleicht quicklebendige Katze vorzufinden.
Sicherlich ist es sinnvoll, nicht alle Hoffnung auf die eine Karte zu setzen und das eigene Profil möglichst distanziert und objektiv zu analysieren. Die Sicherheitsbewerbungen ergeben damit durchaus Sinn, sollten aber niemals ohne die Wunschbewerbungen abgesendet werden. Und in manchen Fällen auch erst, nachdem die Wunschbewerbungen erfolglos waren.